Nie wieder sprachlos! Das wär doch ein Traum, oder? Das denken sich vor allem oft Frauen in Meetingssituationen oder Gesprächen mit ihren männlichen, oft älteren, Kollegen. Vor nicht allzu langer Zeit bin ich auf den Begriff „Manterrupting“ gestoßen.

Was ist Manterrupting?

Manterrupting setzt sich aus den Wörtern „Man“ (Mann) und „Interrupting“ (Unterbrechen) zusammen. Manterrupting bezieht sich auf eine Situation, in der Männer Frauen während einer Unterhaltung oder Diskussion häufig unterbrechen oder ständig das Gespräch dominieren und auch auf körpersprachlicher Ebene mehr Raum einnehmen, als ihre Kolleginnen.

Wenn Frauen von Männern unterbrochen werden

„Lass mich bitte ausreden!“ ist ein oft gedachter und selten ausgesprochener Satz von vielen Frauen.

Ein Satz, den sie eigentlich gar nicht sagen wollen und doch täglich sagen müssten, um ihre klugen Gedanken im Meetings zu platzieren. Denn leider werden Frauen immer noch überproportional häufiger in Gesprächen oder Meetings im Redefluss unterbrochen, als ihre männlichen Kollegen. Woran liegt das und was kannst du als Betroffene diesbezüglich unternehmen, um gehört zu werden?

Geschlechter-stereotype Verhaltensweisen in der Kommunikation

Es gibt viele Klischees, (schlechte) Witze, Stereotype und ganze Bücher über die geschlechtsspezifischen Unterschiede von Männern und Frauen. Man denke nur an „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ von Cris Evatt. Und ja, es gibt sie, diese Unterscheide, nicht nur auf biologischer, sondern auch auf sozialer Ebene.

Dass es zudem Frauen mit „maskuline“ Eigenschaften gibt, die derlei Erlebnisse noch nie hatten und als „feminin“ geltende Männer, die ebenfalls Probleme mit ihrer Anerkennung als gleichwertige Gesprächspartner haben, ist hoffentlich in unserer Hemisphäre Konsens.

Doch leider ist der Konsens über das Phänomen Manterrupting und anderen, Geschlechter-stereotypen Verhaltensweisen in der Kommunikation noch nicht so ausgeprägt, weil zu wenig über diese Verhaltensweisen gesprochen und geschrieben wurde.

Manterrupting und seine Brüder

Manterrupting ist nämlich kein Einzelfall, sondern hat auch noch ein paar „Brüder“. Neben dem Manterrupting (Unterbrechung) gibt es auch Mansplaining und Manspreading.

Mansplaining – rethorisches Unterbuttern

„Mansplaining“ ist ein Begriff, der aus den Wörtern „Man“ (Mann) und „Explaining“ (Erklären) gebildet wird. Es beschreibt eine Situation, in der ein Mann einer Frau etwas erklärt, oft zu einem Thema, von dem die Frau selbst bereits fundiertes Wissen oder Erfahrungen hat. Das Schlimme am Mansplaining ist, dass der Mann dabei oft überheblich oder herablassend auftritt und davon ausgeht, dass die Frau das Thema nicht versteht oder weniger kompetent ist. Auch dieses Phänomen führt dazu, dass Frauen in Gesprächen herabgesetzt oder übersehen werden und sprachlos zurückbleiben.

Manspreading – räumliche Dominanz

Und dann gibt es noch das Phänomen des Manspreading, das vor allem in Bezug auf die Körpersprache an enormer Bedeutung gewinnt. Manspreading bezieht sich auf das Verhalten einiger Männer, wenn sie in Meetings, öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderen öffentlichen Bereichen sitzen und ihre Beine weit auseinanderhalten, oft auf Kosten des Platzes für andere (oft weibliche) Personen. Es hat mit Körpersprache zu tun, da es als nonverbale Kommunikation wahrgenommen werden kann, die Dominanz, Raumbeanspruchung und eine gewisse Arroganz ausdrückt.

Zurück zum Thema Manterrupting: Was könnten Gründe für dieses Phänomen sein, dass es schon lange gibt, aber lange totgeschwiegen wurde?

3 Gründe für das Phänomen des Manterrupting

Hier ein paar Vermutungen, warum Manterrupting so häufig vorkommt:

  1. Soziale Dynamiken und traditionelle Geschlechterrollen: In vielen Gesellschaften haben traditionelle Geschlechterrollen Männer dazu ermutigt, dominanter und bestimmender in Gesprächen zu sein, während Frauen eher erwartet wird, zuhören und kooperieren. Das spiegelt sich auch im traditionellen Familienbild von dem Mann als Oberhaupt, der Frau als Hausfrau wider. Diese sozialen Dynamiken können dazu führen, dass Männer unbewusst Frauen unterbrechen, da sie es schlichtweg gewohnt sind, den Ton anzugeben.
  2. Selbstsicherheit und Bestätigung: Einige Männer unterbrechen aus Unsicherheit oder dem Wunsch nach Bestätigung heraus Frauen im Gespräch. Indem sie das Gespräch dominieren, versuchen sie möglicherweise, ihre eigene Kompetenz oder Autorität zu betonen und sich in der Gruppe sicherer zu fühlen. Auch sie wollen nicht sprachlos wahrgenommen werden.
  3. Mangelnde Sensibilität oder Empathie: Manterrupting kann auch auf mangelnde Sensibilität oder Empathie seitens der Männer zurückzuführen sein. Einige Männer sind sich möglicherweise nicht bewusst, wie häufig sie Frauen unterbrechen, oder sie erkennen nicht, wie frustrierend und demütigend es für Frauen sein kann, ständig unterbrochen zu werden und sprachlos stehen gelassen zu werden.

Wie lässt sich Manterrupting zu Leibe rücken?

Manche Männer schlagen dann vor, dass Frauen „halt einfach selbstbewusster werden müssen“. Doch ist das der richtige Weg? Und wenn ja, wie gelingt das im richtigen Maße? Und wie kann die Körpersprache dabei helfen?

Zunächst einmal möchte ich bezweifeln, dass die Lösung dieses tief verwurzeltem Phänomen darin liegt, dass allein die Frauen selbstbewusster werden. Auch wenn das zunächst wie ein guter Vorschlag klingt.

Denn selbst wenn unsere Wirkung Selbstbewusstsein ausstrahlt, sind vor allem die Männer aus den Generationen der Babyboomer und älter, selten gewillt, ihren Kolleginnen und sogar ihren weiblichen Vorgesetzten, das Wort freiwillig zu erteilen, ihnen Raum zuzugestehen oder sie ausreden zu lassen.

Folgen des Manterrupting für die Unternehmenskultur

Mansplaining, Manterrupting und Manspreading sind sicherlich Modeworte und doch spiegeln diese ein Dilemma vor allem für junge Frauen wider, welches häufig nur der Anfang einer beruflichen Odyssee darstellt. Mangelnde Unterstützung für Frauen in Halbtagespositionen, wenig Chancen auf attraktive Führungspositionen und letztendlich das oft noch unterschiedliche Entgelt von Mann und Frau für dieselben Positionen, sind nur einige Nebenerscheinungen dieser strukturellen Ungerechtigkeiten.

Diese Ungerechtigkeiten kosten nicht nur Energie, sondern vermiesen auch nachhaltig die Firmenkultur, egal ob du im Recruitment, Vetrieb oder Controlling tätig bist.

Dass Mansplaining und Manterrupting in den 2020 Jahren immer noch möglich ist, hätten viele junge Frauen am Beginn ihrer Karriere niemals für möglich gehalten. Erst wenn das wahre Leben im Unternehmen sie dann eingeholt hat, wird diese bittere Pille für viele erst wirksam. Einige gut ausgebildete Frauen verlassen sogar das Unternehmen und das kann sich heute kein Unternehmen mehr leisten.

Es ist entscheidend, das Bewusstsein für Manterrupting zu schärfen und einen respektvollen Dialog zu fördern, in dem jeder die Möglichkeit hat, seine Gedanken und Ideen ohne Unterbrechungen auszudrücken. Indem wir dieses Problem ansprechen und an einem gleichberechtigten Austausch arbeiten, können wir eine Kultur schaffen, in der alle Stimmen gehört werden und in der Männer und Frauen gleichermaßen respektiert werden.

Deshalb möchte ich hier ein paar Vorschläge einbringen, die helfen, sich gegen Manterrupting zu wappnen:

Nie wieder sprachlos: Erste Hilfe gegen Manterrupting

  1. Beobachte bewusst, von wem und in welcher Situation du unterbrochen wirst.
  1. Überprüfe deine Wirkung über Körpersprache, Stimme und Sprache auf selbstbewusstes Verhalten und zeige so viel Präsenz in der Körpersprache und Stimme, wie es dir möglich ist.
  1. Identifiziere den Einwand oder die Störung und lege dir einen Satz zurecht, wie bspw: „Bitte lassen Sie mich ausreden!“ oder „Moment, ich habe etwas zu sagen.“
  1. Wenn du noch unsicher bist, mache vorher eine Video- oder eine Audioaufnahme, um so dein Verhalten zu überprüfen und einzuüben.
  2. Sprich darüber! Egal ob direkt im Anschluss im Zwiegespräch, in einem Gespräch mit der Personalabteilung oder auch in Social Media – es ist wichtig, dass wir über unsere Erfahrungen sprechen, um ein Bewusstsein zu schaffen.

Es ist wichtig anzumerken, dass nicht alle Männer Mansplaining betreiben und nicht alle Frauen davon betroffen sind. Der Begriff dient jedoch dazu, auf ein bestimmtes Verhaltensmuster aufmerksam zu machen, bei dem Männer ihre vermeintliche Autorität nutzen, um Frauen zu bevormunden oder herabzusetzen. Ziel ist es, ein Bewusstsein für Geschlechterungleichheit zu schaffen und eine respektvolle und gleichberechtigte Kommunikation zu fördern.

Nie wieder sprachlos  – das wäre doch fein!

Wenn du Unterstützung dabei brauchst, komm gern in eines meiner offenen Trainings zum Thema „Körpersprache richtig einsetzen“.