Was haben ein Agent, Vorschulkinder und Hunde gemeinsam?

Alle drei besitzen eine ausgeprägte Menschenkenntnis und können sich schnell und gut auf andere einstellen. Meist sogar ohne ein Laut gehört bzw. von sich gegeben zu haben. Hunde wissen, wie sie gucken müssen, um an Leckerlis zu gelangen und Kinder haben ihr Eltern schneller durchschaut, als sie laufen können.

Und dann haben wir da noch die Agenten. Immer wieder erscheinen Bücher in den Bestsellerlisten, geschrieben von ehemaligen Geheimdienstlern, die ihr Wissen an den Otto Normalverbraucher*in weitergeben. Meist waren sie als Bundesverfassungsschützer wie Leo Martin oder als CIA Ermittler wie Joe Navarro unterwegs. Ihr Ziel: möglichst viele Informationen über bestimmte Menschen oder Menschengruppen zu sammeln, auszuwerten und dieses Wissen für den Vorteil ihres Landes zu nutzen. Kurz gesagt, alle gehören für mich zur Gruppe der sogenannten Profiler – allerdings nur im erweiterten Sinne.

In einer Verhandlung im Business steht zwar nicht der Weltfrieden auf der Agenda und doch sind bspw. Geschäftsführer oder auch Mitarbeiter des Vertriebs mit einer wichtigen Mission unterwegs, nämlich durch eine Vielzahl von Informationen bspw. zum Markt, zur Lage der Nation und eben auch zu seinen Verhandlungspartnern, sein Unternehmen bestmöglich aufzustellen.

Um die eigene Verhandlungspartie optimal und erfolgreich auszuspielen, lohnt sich ein Blick auf den Profiler, was übrigens keine geschützte Berufsbezeichnung darstellt.

„Im engeren Sinne versteht man unter einem Profiler einen Fallanalytiker, welcher Fallanalysen  zu Gewaltdelikten erstellt. „Bei der (Operativen) Fallanalyse handelt es sich um ein kriminalistisches Werkzeug, welches das Fallverständnis bei Tötungs- und sexuellen Gewaltdelikten sowie anderen geeigneten Fällen von besonderer Bedeutung auf der Grundlage von objektiven Daten und von möglichst umfassender Informationen zum Opfer mit dem Ziel vertieft, ermittlungsunterstützende Hinweise zu erarbeiten.“*

Die drei Phasen des Profiling

Im Großen und Ganzen kann ich durch diversen Lektüren, haufenweise Spionagefilme und aus meiner langjährige Erfahrung als Verhandlungstrainerin und Verhandlerin, vier unterschiedliche Phasen des Profiling unterscheiden.

Ich stelle mir das wie eine Zwiebel vor, an der wir an den Außenränder den Überbau beobachten können, der stellvertretend für das Unternehmen steht, in dem unsere Verhandlungspartner arbeitet, um sich dann Schicht für Schicht zur Persönlichkeit eines Menschen vorzutasten.

Je mehr Informationen ich darüber sammle, desto besser kann ich mir ein Bild von der dem Umfeld machen

Erste Phase

Hier dreht sich alles um das Sammeln von Informationen. In dieser Phase frage ich mich, für welche Werte steht das Unternehmen meines  Verhandlungspartnern und für was tritt es ein. Die ersten Informationen erhalte auf der Website, meist unter den Reitern Firmengeschichte oder wer wir sind oder unser Team.

Zweite Phase

In dieser Phase rückt der Verhandlungspartner selbst in die Beobachtung, allerdings immer noch nicht persönlich, sondern noch digital. Hierbei ist es wichtig herauszufinden, auf welchen Plattformen und in welchen Gruppen mischen diese mit oder sind diese Mitglied einer Organisation wie beispielsweise der philanthropischen Gesellschaft. Tritt dieser öffentlich auf und zu welchen Gelegenheiten? Setzt dieser sich für das Gemeinwohl ein oder möchte er sich selbst als Mensch in den Vordergrund rücken?

In dieser Phase versuche ich herauszufinden, in welchem Setting dieser sich am wohlsten fühlt, wo dieser agiert und wie dieser gesehen werden möchte. Ich scheue auch gerne bei Wikipedia Einträgen rein, denn manchmal existiert ein Eintrag zu seiner Firma beziehungsweise zu diesem selbst.

Ist diese Phase abgeschlossen, verarbeite ich alle gesammelten Informationen und entwickle daraufhin eine Strategie: Wie reise ich an, wie trete ich auf, wie kleide ich mich, wie werde ich mich ausdrücken und welche Informationen sind wichtig.

Es ist übrigens durchaus normal, keine oder nur wenige Informationen über unseren Verhandlungspartner im WWW zu finden, denn die öffentliche Performance meiden immer noch viele User.

In diesem Fall wird die nächste Phase umso wichtiger:

Dritte Phase

Die Agenten zieht es jetzt vom Computer in die Beschattung und der Profiler an den Ort des Geschehens.

Spätestens hier wird klar, dass wir diese Observierung der Geheimdienste und des Profilers keinesfalls 1:1 übernehmen können.

Ich begebe mich jetzt zu meinem Verhandlungspartner und rücke sein Verhalten, wie den Space, in dem dieser sich präsentiert, in den Fokus, um dieses Verhalten zu entschlüsseln, auszuwerten und mich dementsprechend zu positionieren. Für mich stellt dies die etwas Art der Beschattung  dar, wir könnten es auch Beobachtung nennen, welche im Beisein und im Wissen unseres Verhandlungspartners stattfindet.

Erinnerung: Die Grundlage jeder erfolgreichen Verhandlung beruht auf Ähnlichkeiten der Persönlichkeiten und Ergänzungen in der Expertise. Dazu habe ich vor einiger Zeit einen Blog geschrieben. Klick.

Die 4 Phase

Wenn es in der 3. Phase zu keiner Entscheidung kommt, fokussiere ich mich auf eine weitere Phase. Hier füge ich zu den Informationen aus der 1. und 2. Phase die Informationen meines Verhandlungspartners aus der 3. Phase und finde hierfür eine geeignete Strategie, um mich auf die letzten Metern, noch einmal schriftlich zu positionieren und meinen Verhandlungspartner zu überzeugen.

 

In evaluierten Diagnoseverfahren bspw. aus dem Personalrecruitment existieren übrigens über 15.000 Faktoren der Diagnostik. Ich selbst benutze mehr als 250 Beobachtungsfaktoren pro besuch, die jeder andere mit wachem und geschulten Auge wahrnehmen kann.

Das WWW macht vieles möglich und vieles eben auch nicht. Es ist bspw. nicht möglich, unsere Verhandlungspartner zu 100 {a923d8e8c91e592736fbadc0aac2ff3ec0b131f0bf7f0da6d94cbd9aa9a248be} richtig einzuschätzen, so wie es ebenso wenig möglich ist, mögliche Lügen unsere Verhandlungspartner mit dem bloßen Auge zu erkennen.

 

Von der Beobachtung deines Verhandlungspartners und seines Space erfährst Du in meinem nächsten Blog mehr:

Was hat Pokern mit Menschenkenntnis zu tun?

„Beim Pokern spielt man nicht seine Karten, sondern man spielt seine Gegner (Menschen).“

Spielersprichwort

 

* Quelle BKA